Soziale Arbeit zahlt sich aus
«Wir müssen sparen, koste es was es wolle». Diesen Eindruck hatte ich in meiner Tätigkeit als Sozialstadtrat mehr als einmal. Während die Fallzahlen und die Kosten in der Sozialhilfe stark anstiegen, gab es – aus «Spargründen» – keine zusätzlichen Stellen. Oder sogar Kürzungen. Wir begegneten dieser Situation 2015 mit einem innovativen Pilotprojekt: Wie unterscheidet sich die Wirkung, wenn drei Mitarbeitende eine tiefere Fallzahl betreuen als die übrigen? Die Befunde waren ermutigend: Die Nettokosten sinken. Das heisst: die Mehrausgaben für das Personal werden kompensiert und unter dem Strich bleibt ein signifikanter Spareffekt. Folgerichtig sollte die reduzierte Fallbelastung auf die gesamte Sozialberatung ausgeweitet werden. Der Gemeinderat sprach die beantragten Mittel, allerdings befristet. Und knüpfte deren unbefristete Weiterführung an die Resultate einer externen Begleitstudie.
Mitte Juli wurden die Ergebnisse dieser Analyse durch das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS präsentiert:
- Die Investition in soziale Arbeit zahlt sich – im wahrsten Sinne des Wortes – aus: Für die Sozialhilfebeziehenden, die vermehrt wirtschaftlich unabhängig werden und nicht mehr auf die Sozialhilfe angewiesen sind. Aber auch für die Steuerzahlenden. Weil gemäss Berechnungen der Studie BASS jährliche Minderausgaben von 2,7 Millionen Franken resultieren.
- Die Nettokosten für die Sozialhilfe pro verbleibenden Fall sinken um rund 2 Millionen Franken pro Jahr. Zusätzlich werden dank engerer Betreuung 27 Prozent mehr Fälle aus der Sozialhilfe abgelöst. Das entspricht, auf ein Jahr gerechnet, 2,3 Millionen Franken. Stellt man diese beiden Verbesserungen den zusätzlichen Personalressourcen von 1,6 Millionen Franken gegenüber, resultiert die Einsparung von 2,7 Millionen Franken. Oder 3,5 % der gesamten Sozialhilfekosten.
- Konkret bedeutet die erhöhte Ablösungsquote, dass rund 200 Menschen pro Jahr nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sind. Die zusätzlichen Stellen wirken vor allem dort, wo die Ablösung aus der Sozialhilfe aus vermehrter Erwerbsarbeit und Integration in den Arbeitsmarkt erfolgt. Sowie aufgrund von Leistungen, die aus vorgelagerten Systemen (Sozialversicherungen, Stipendien etc.) geltend gemacht werden können. Beides hat zur Folge, dass die armutsbetroffenen Menschen mehr Geld zum Leben haben.
Das Winterthurer Projekt ist innovativ und hat Pioniercharakter. Es hat eine Ausstrahlung weit über unsere Stadtgrenzen hinaus. Medial, politisch und in der Fachwelt. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) hat die Bedeutung dieses Winterthurer Projektes für die gesamte Schweiz herausgestrichen. Zahlreiche Städte und Gemeinden haben mit Bezug auf die Winterthurer Erkenntnisse ihre Ressourcen in der Sozialberatung verstärkt. So kürzlich auch Basel-Stadt mit einem Millionenbetrag über mehrere Jahre hinweg. Auslöser war dort ein Vorstoss der FDP, der auf die Winterthurer Pilotstudie Bezug nahm.
Nach den Sommerferien werden die Ergebnisse des Berichtes im Grossen Gemeinderat diskutiert, der letztlich im Rahmen der Budgetdebatte Ende Jahr auch für die Ressourcen zuständig ist.
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