Wer hat Angst vor einem Mindestlohn?
Die Schweiz profitierte lange Zeit von einer ausgewogenen Lohnentwicklung. Das ist vorbei. Die verfügbaren unteren und mittleren Einkommen sind seit mehreren Jahren am Sinken. Diese Menschen werden ärmer, die Realeinkommen nehmen ab, während die Fixkosten rapide steigen. Wer seine Miete überwiesen und seine Krankenkassenprämie bezahlt hat, verfügt über immer weniger Geld. Für 3600 Menschen, die in Winterthur für Löhne arbeiten, von denen sie nicht leben können, ist das besonders hart. Die meisten von ihnen sind Frauen zwischen 30 und 50 Jahren. Sie arbeiten im sogenannten Tieflohnbereich. Sie verrichten wertvolle Arbeiten, können sich ein Leben in der Stadt aber oftmals nicht leisten. Nicht selten haben sie mehrere Jobs oder riesige Arbeitspensen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Ein Mindestlohn von 23 Franken in der Stunde wäre nichts als fair. Nur, wer hat Angst vor einem Mindestlohn? Die bürgerlichen Parteien bekämpfen diesen mit allerlei verblüffenden Argumenten, getreu dem Motto: Je tiefer die Löhne, desto besser. Und sie drohen, wie bei jeder arbeitsrechtlichen Abstimmung, unverhohlen mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und dem Wegzug von Firmen. Nur verkennen sie, dass gerade Arbeiten in diesem Tieflohnbereich gar nicht «ausgelagert» werden können. Ein Büro im Geschäftskomplex muss nun mal vor Ort gereinigt, das Zmittag im Restaurant vor Ort zubereitet und serviert werden. Diese Arbeiten müssen weiterhin lokal getätigt werden, da, wo das Leben in dieser Stadt pulsiert. Und gerade weil sich die Lebenskosten und Wertschöpfungsmöglichkeiten regional sehr stark unterscheiden, ist ein kommunaler Mindestlohn sinnvoll. Die bisher so ausgewogene Schweizer Lohnentwicklung ist aus dem Gleichgewicht geraten. Damit sich diese Schere nicht weiter öffnet, braucht es für die betroffenen Arbeiter und Arbeiterinnen einen Mindestlohn. Wer in unserer Stadt arbeitet, soll sich das Leben hier leisten können.