Wirtschaftliche Situation aufgrund der Pandemiefolgen
Geschätzte Anwesende
Seit genau einem Jahr befinden wir uns in einer Pandemie, die wir uns vorher in unseren wildesten Träumen nicht hätten ausmalen können. Wir haben zwei epidemiologische Wellen hinter uns und stehen aller Voraussicht nach vor einer dritten Welle. Ausmass oder Dauer dieser dritten Welle können wir nicht wirklich abschätzen. Viele Menschen sind müde und erschöpft von der Unsicherheit und der ständigen Planung auf Sicht. Der Ton der Diskussion über die richtigen Massnahmen wird rauher und er wird zunehmend durch eine komplette Leugnung der Situation unterfüttert – und das in einem Moment, wo Augenmass und ein klarer Blick auf die menschlichen und wirtschaftlichen Folgen der Krise notwendig wären.
Jede und jeder Einzelne sind gefordert, aber auch die Politik, und zwar auf allen Ebenen. Im Bundesparlament ist im Dezember ein wichtiger Eckstein der Krisenmassnahmen, eine Geschäftsmietenlösung, von bürgerlicher Seite blockiert worden. Der Ball liegt seither bei den Kantonen. Im Kanton Zürich haben im Februar in der zweiten Runde für Härtefallanträge 5554 Firmen insgesamt fast 1,3 Milliarden Franken beantragt. Die Anträge werden hoffentlich möglichst schnell bearbeitet.
Der Hartnäckigkeit von Regierungsrätin Jacqueline Fehr ist es zu verdanken, dass ein innovativer Ansatz, für Kulturschaffende, die oft aus allen Rastern fallen, ein temporäres Grundeinkommen zu sichern, nach einer anfänglichen Ablehnung durch den Bund jetzt doch umgesetzt werden kann. Der Kanton ist also an der Arbeit. Aber reicht das in einer Krisensituation, die sich zunehmend verschlechtert?
Auf lokaler Ebene reicht es nicht, wie sich immer mehr zeigt. In Winterthur sind Ende Januar 2100 Personen arbeitslos gewesen, ein Drittel mehr als im Dezember. Wir bekommen Rückmeldungen von zahlreichen Gewerbetreibende, die mit ihren Fixkosten kämpfen, vor allem mit Mieten, wo ihnen die Vermieter oft nicht entgegenkommen. Es ist leider eben nicht so, dass die Vermieter hier generell gesprächsbereit sind.
Vor allem ein paar der grössten Immobiliengesellschaften haben sich in der zweiten Welle schweizweit unnachgiebig gezeigt. Was das für Auswirkungen hat, zeigen ihre Geschäftsabschlüsse, die jetzt eben veröffentlicht worden sind: PSP Swiss Property will die Dividende für 2020 erhöhen, Allreal meldet trotz Corona ein erfreuliches Jahresresultat und Swiss Prime Site SPS legt einen stabilen Gewinn von sage und schreibe 600 Millionen Franken vor.
Die Mieterlasse, die die grossen Konzerne im Frühjahr 2020 dennoch gewährt haben, machen demgegenüber lediglich 1 bis 4 % des gesamten Umsatzes aus. Die Schlussfolgerung ist mehr als stossend: ein erheblicher Teil der Ausfallentschädigungen des Bundes im Coronajahr 2020 ist ganz offensichtlich über Mietzahlungen direkt zu den Vermietern geflossen und hat bei den grossen drei Firmen wesentlich zu den guten Jahresergebnissen beigetragen. Es gibt also Coronagewinner – und es sind leider nicht die Geschäfte, die von Shutdown am meisten betroffen sind.
Die Situation wird nicht besser. Beim Verband der Schweizer Geschäftsmieter stapeln sich zur Zeit Beschwerden von Geschäftsinhabern, denen die Vermieter mit Betreibung und Kündigung drohen. Es wird damit argumentiert, dass die Geschäfte ja jetzt Härtefallentschädigungen erhalten würden und man übersieht dabei geflissentlich, dass diese Gelder nur einen Teil der Kosten decken können.
Genau hier setzen verschiedene Städte wie Zürich, Bern und Basel und der Kanton Genf ein, und zwar mit einem Modell, nach dem die öffentliche Hand einen Drittel der Miete übernimmt, unter der Voraussetzung, dass sich Vermieter und Mieter in die anderen zwei Drittel aufteilen. Diese Lösung lässt sich relativ rasch umsetzen, setzt auf Gespräch und Eigenverantwortung und ist ausserdem unbürokratisch. Und sie ist nötig, denn das Netz der Härtefallmassnahmen hat nach wie vor grosse Löcher.
So ein Modell schlägt die SP-Fraktion auch für Winterthur vor. Die beiden Vorstösse, eine Behördeninitiative und eine Motion, die heute traktandiert sind, sollen im Kanton und auf städtischer Ebene, wie das die Stadt Zürich gerade gemacht hat, die Voraussetzungen schaffen, um das Modell schnell umsetzen zu können. Wir sind dem Ratspräsidium dankbar, dass die beiden Geschäfte zügig auf die Traktandenliste gesetzt worden sind – auch wenn sie heute vermutlich nicht mehr behandelt werden können – und wir hoffen, dass die Idee auch in Winterthur schnell umgesetzt werden kann. Sie ist weder überflüssig noch überschneidet sie sich mit den laufenden Massnahmen: Sie ergänzt sie vielmehr und dient allen. Mittlerweile spricht sich darum sogar die SPS, die grösste Immobilienfirma der Schweiz, für das Drei-Drittel-Modell aus.
Wir bitten die Fraktionen, die sich bisher gegen die Idee ausgesprochen haben, nochmals über die Bücher zu gehen. Vielleicht kann sich auch der Stadtrat dazu äussern, ob er bereit wäre, die Vorstösse schnell zu behandeln. Die Krise ist noch lange nicht vorbei und wir möchten nicht diejenigen sein, die in ein paar Monaten den Mitte-Rechts-Fraktionen im Rat vorhalten müssen, dass wir das Problem früher als andere erkannt haben.